Vorbereitung

„Weil unsere Nationen an den Rand der Hoffnungslosigkeit und Resignation gerieten, entschloss ich mich, meinen Protest zu äußern und das nationale Gewissen zu wecken.“

Aus Palachs Brief an den Verband der tschechoslowakischen Schriftsteller, 16. Januar 1969

Im Oktober 1968 begann Jan Palach an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag zu studieren. Gemäß Erinnerungen seiner Freunde beteiligte er sich im Herbst an einigen Straßendemonstrationen. Im November 1968 war er auch ein aktiver Teilnehmer des Besatzungsstreiks, der aber erfolglos beendet wurde. Einige seiner Freunde und Mitschüler gaben später bei Verhören an, dass es zu einer Wende in seinem Verhalten in eben dieser Zeit kam.

Aus Quellen geht hervor, dass Jan Palach eine längere Zeit über eine radikale Tat nachdachte, die die Öffentlichkeit zum Widerstand aufrütteln würde. Er wog verschiedene Protestformen ab. Dies belegt vor allem sein Vorschlag zur Besetzung des Hauptgebäudes des Tschechoslowakischen Rundfunks und die Ausstrahlung der Sendung zur Aufforderung zum Generalstreik. Diesen Vorschlag adressierte er Anfang Januar 1969 an Lubomír Holeček, den Studentenführer an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag. Der Brief wurde vor kurzem in einer Akte der Staatssicherheit (StB) entdeckt, die ihn zu Beginn der 70er Jahre im Archiv der Universität beschlagnahmte. Im Zusammenhang mit dem Misserfolg des Besatzungsstreiks schlug hier Jan Palach vor, die Initiative könne eine kleine Studentengruppe übernehmen, die dann die breitere Öffentlichkeit zum Widerstand mitreiße. In diesem Dokument findet man auch Aussagen, die Palach später im Brief „Fackel Nr. 1“ verwendete. Unter seinen Anforderungen ist zum Beispiel die Abschaffung der Zensur.

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Jan Palach hat wahrscheinlich keine Antwort auf seine Aufforderung bekommen. Auch deswegen entschied er sich vermutlich für eine andere Protestform. Sie hatte eine unvergleichbar schockierendere Form, als eine gewalttätige Besatzung eines Gebäudes, gleichzeitig erforderte sie aber keine lange und anspruchsvolle Vorbereitung. Wie die Ermittler feststellten, unternahm Jan Palach alle konkreten Schritte zur Vorbereitung seiner Tat im Laufe einiger Stunden. Am 15. Januar 1969 nahm er an der Beerdigung seines Onkels teil und früh am folgenden Tag verließ er Všetaty und fuhr nach Prag. Im Studentenwohnheim in Spořilov kam er am 16. Januar 1969 etwa um acht Uhr an. Im Zimmer schrieb er einen Entwurf und dann vier beinahe identische Briefe, die er mit der Unterschrift „Fackel Nr. 1“ versah. Er schickte sie an Ladislav Žižka, seinen Kommilitonen an der Wirtschaftshochschule, an den Studentenführer der PF KU Lubomír Holeček, an den Verband der tschechoslowakischen Schriftsteller und den vierten Brief nahm er in seiner Aktentasche an den Protestort mit. In den Briefen gab er an, er sei Mitglied der Gruppe, die sich für Selbstverbrennung entschieden habe, um die Öffentlichkeit aus der Lethargie zu erwecken. Er stellte zwei Forderungen, die mit der Redefreiheit zusammenhingen: die Abschaffung der Zensur und das Verbot der „Nachrichten“, die seit Ende August 1968 als Druckschrift von den Besatzungskräften herausgegeben wurden. Er verlangte, dass die Menschen einen unbefristeten Streik anfangen, um diese Anforderungen durchzusetzen. Falls die Anforderungen nicht bis zum 21. Januar 1969 erfüllt werden, sollten „weitere Fackeln“ aufflammen. Palach formulierte im Studentenwohnheim auch ein Briefentwurf, in dem er seine Tat aufklärte. Im Vergleich mit der Endversion beinhaltete es einige weitere Anforderungen, neben anderem den Rücktritt der prosowjetischen Politiker von ihren Ämtern.

Das Studentenwohnheim verließ er gegen elf Uhr. Es ist nicht ganz klar, was er in den folgenden Stunden machte. Vermutlich warf er die drei erwähnten Briefe in den Briefkasten. Zuvor kaufte er anscheinend Briefmarken und eine Postkarte am Kleinseiter Ring, darauf schrieb er die Adresse seines Freundes Hubert Bystřičan und einen kurzen Gruss. Die Karte schickte er wahrscheinlich mit den Briefen ab. Wir wissen, dass er zwischen 11.00 und 12.30 zwei Plastikbehälter kaufte, in die er dann in der Opletalova-Straße Benzin füllen ließ. Mit vollen Gefäßen und seiner Aktentasche ging er vermutlich direkt vor das Nationalmuseum. Für seine Tat wählte er absichtlich einen Ort im Stadtzentrum, wo sich den ganzen Tag viele Menschen befanden. Zum Brunnen kam er einige Minuten vor halb drei am Nachmittag.

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