Romas Kalanta

* 22. Februar 1953, Alytus

† 15. Mai 1972, Kaunas

„Für meinen Tod ist das totalitäre politische System verantwortlich zu machen.“

Romas Kalanta 14. Mai 1972

Am 14. Mai 1972 übergoss sich der 19-jährige Arbeiter Romas Kalanta mit Benzin und zündete sich an, um gegen die sowjetische Okkupation Litauens zu protestieren.

Romas Kalanta wurde am 22. Februar 1953 in eine Arbeiterfamilie geboren. Sein Vater war ein Veteran aus dem zweiten Weltkrieg, Kommunist und Anhänger des sowjetischen Regimes. Seine Mutter dagegen war gläubig und erzog ihre Kinder katholisch. Romas besuchte er die Mittelschule in Kaunas. Er las Romane, schrieb Gedichte, spielte Gitarre und zusammen mit seinen Freunden bewunderte er die Hippiebewegung, die bei der litauischen Jugend ziemlich großen Anklang fand. Er malte auch gern, in seinem Schaffen tauchten oft Motive des Kreuzes, des Feuers und des leidenden Menschen auf.

Im Jahre 1971 geriet Kalanta in einen Konflikt mit der Schulleitung. Der Grund war sein Auftritt in einem Geschichtsseminar, bei dem er den Marxismus kritisierte. Er hatte auch vor, dem katholischen Seminar in Kaunas beizutreten. Schließlich wurde er in demselben Jahr aus dem Kommunistischen Jugendverband ausgeschlossen. Da er das Abitur nicht abgelegt hatte, ging er zur Abendschule. Er war als Fabrikarbeiter tätig.

Wahrscheinlich inspirierte Jan Palach Kalanta zur Selbstverbrennung, von dessen Tat die Litauer aus dem ausländischen Rundfunk wussten. Am 14. Mai 1972 um 12.30 Uhr kam Kalanta auf die Hauptstraße Freiheitsallee (Laisves alèja), wo sich am Brunnen die dortige Jugend traf. Dieser befand sich vor dem Musiktheater Kaunas und gegenüber dem Hauptgebäude der sowjetischen Regierung der Stadt. Kalanta übergoss sich hier mit dem Benzin, das er mitgebracht hatte, und zündete sich an. Laut einigen Quellen rief er das Motto „Freiheit für Litauen!“. In der Nähe des Brunnens wurde sein Notizblock mit der Nachricht gefunden: „Für meinen Tod ist das totalitäre politische System verantwortlich zu machen.“ Er erlitt Brandverletzungen auf 90 Prozent seines Körpers. Bewusstlos wurde er ins Krankenhaus gefahren, wo er am nächsten Tag verstarb.

Auf Druck der Behörden musste die Familie am 18. Mai 1972 mit der Beerdigung zwei Stunden früher als angekündigt beginnen (der Grabstein konnte erst im Jahre 1982 errichtet werden). Das rief unter der Jugend große Unruhe hervor. Der Trauerzug wuchs sich zu antisowjetischen Straßenunruhen aus, die zwei Tage dauerten und gewaltsam unterdrückt wurden. Insgesamt wurden dabei 402 Personen festgenommen, sieben davon wurden später wegen „Rowdytum“ zu bis zu drei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Hunderte weitere Protestierende wurden der Schulen verwiesen oder aus der Arbeit entlassen. Laut dem Abschlussbericht des Vilniuser KGB verbrannten sich in den folgenden Monaten in Litauen nach dem Vorbild Kalantas 13 weitere Personen.

Im Juni 1972 wurde in der litauischen Presse der Bericht einer vorgeblichen Ärztekommission veröffentlicht, die Kalanta für geisteskrank erklärte. Er wurde sogar aus dem Komsomol (der kommunistischen Jugendbewegung in der früheren UdSSR) ausgeschlossen. Erst im Jahre 1989 wurde aufgrund der Entscheidung der Staatsanwaltschaft eine neue Ärztekommission bestimmt, deren Schlussfolgerung umgekehrt war – Kalanta war laut ihren Ergebnissen vor der Tat zurechnungsfähig und konnte nicht für psychisch krank erklärt werden. Über seine Tat wurden einige Bücher geschrieben und 1999 wurde zu diesem Thema ein Dokumentarfilm gedreht. Am 4. Juli 2000 wurde Kalanta in Memoriam von dem litauischen Präsidenten Valdas Adamkus ausgezeichnet. Am 14. Mai 2002 enthüllte man am Ort seines tragischen Protestes ein Denkmal.

Literatur: >>>

BIGGS, Michael: Dying without Killing. Self-Immolations, 1963–2002, In: GAMBETTA, Diego (ed.): Making Sense of Suicide Missions. Oxford University Press, Oxford 2005, s. 173–208, 320–324, dostupné on-line: http://users.ox.ac.uk/~sfos0060/immolation.pdf (ověřeno 8. 7. 2011)

EGIDIJUS, Aleksandravičius – KASTYTIS, Antanaitis: Romo Kalantos auka. 1972 metų Kauno pavasaris. Baltos Lankos, Vilnius 2002.

KAMIŃSKI, Łuskaz: První živá pochodeň ve východním bloku. Ryszard Siwiec (1909–1968), In: BLAŽEK, Petr – EICHLER, Patrik – JAREŠ, Jakub a kol: Jan Palach ´69. FF UK – ÚSTR – Togga, Praha 2009, s. 115–127.

LAUBE, Roman: Kaunaské jaro 1972 a oběť Romase Kalanty, In: Navýchod, č. 1 (2009), dostupné na stránce http://navychod.cz/articles.php?id=f486f146-ad18-11df-aa30-00304830bcc4 (ověřeno 13. 7. 2011).

VOSYLYTÉ, Jüraté: Romas Kalanta, In: kol. autorů: Słownik dysydentów. Czołowe postacie ruchów opozycyjnych w krajach komunisticznych w latach 1956–1989. Tom II. Karta, Warszawa 2007, s. 252–253.

Filmové dokumenty

Fontano vaikai (Dětská fontána), rež. Raimundas Banionis a Andrius Šiuša, 1999, Litva.