Vasyl Makuch

* 14. November 1927, Kariv

† 6. November 1968, Kiew

Weg mit den kommunistischen Besatzern! Lang lebe die freie Ukraine! Weg mit den Besatzern der Tschechoslowakei!

Vasyl Makuch, 5. November 1968

Am 5. November 1968 zündete sich auf der Hauptstraße von Kiew der 40- jährige Vasyl Makuch an. Er war Mitglied der Ukrainischen Aufstandsarmee und politischer Gefangener. Mit seiner Tat wollte er ein Zeichen gegen die Besatzung und Russifizierung der Ukraine durch das Sowjet-Regime sowie gegen die Invasion in die Tschechoslowakei setzen.

Vasyl Makuch wurde am 14. November 1927 in dem Dorf Kariv geboren, das in der Zeit zur Woiwodschaft Lemberg gehörte. Er stammte aus einer Familie, in der Patriotismus und die Vorstellung einer unabhängigen Ukraine im Mittelpunkt standen. Von seinem Vater und seine Nachbarn beeinflusst, entschied er sich im Jahre 1944 der Ukrainischen Aufstandsarmee (UPA) beizutreten. Dort war er im Geheimdienst unter dem Decknamen Mykola tätig. Im Februar 1946 wurde er in einem Kampf von der NKVD angeschossen und gefangen genommen. Am 15. Februar 1946 kam er in Gefangenschaft, wurde harschen Verhören im Gefängnis von Lemberg unterzogen und am 11. Juni 1946 vor dem Militärtribunal zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Dabei verbrachte er die meiste Zeit in Arbeitslagern in Sibirien. Am 18. Juli 1955 wurde er schließlich aus der Gefangenschaft entlassen und verbannt.

Im sibirischen Exil lernte er die Schauspielerin Lidija Ivanivna Zapara kennen. Im Alter von siebzehn Jahren wurde sie zu zehn Jahren Arbeitslager und 5 Jahren Verbannung verurteilt, da sie gemeinsam mit ihrer Stiefmutter an propagandistischen Konzerten teilgenommen hat. Vasyl und Lidija kamen sich mit der Zeit näher. Lidija konnte jedoch zwei Jahre früher ihre Gefangenschaft beenden als Vasyl. Als am 6. April 1956 auch Makuch aus der Verbannung entlassen wurde, wurde es ihm verboten im Westen der Ukraine zu leben. Er fuhr nach Dnipropetrowsk zu Lidija mit der er seit ihrer Entlassung zwei Jahre zuvor einen regen Briefwechsel unterhielt und heiratete sie. 1960 kam ihre gemeinsame Tochter Olha auf die Welt und 1964 ihr Sohn Volodymyr.

Zuerst arbeitete Makuch in der Fabrik Procynk und später als Reparateur von Haushaltsgeräten. An den Abenden holte er seinen Schulabschluss nach, machte sein Abitur und bekam einen Studienplatz an der Pädagogischen Fakultät. Er wurde jedoch bereits nach kurzer Zeit von der Universität verwiesen, da er vor der Kommission seine Gefangenschaft verschwieg. Er lebte in der Hoffnung, dass er wenigstens ein Abend- oder Fernstudium absolvieren kann, aber auch dafür bekam er keine Erlaubnis. Lidija arbeitete unterdessen als Köchin. Die gemeinsamen Kinder besuchten einen ukrainischen Kindergarten und eine ukrainische Schule. Sie beschwerten sich jedoch darüber, dass sich ihre Mitschüler darüber lustig machten, dass sie ukrainisch sprechen und von den Lehrern nicht davon abgehalten werden.

Makuch war politisch sehr aktiv. Regelmäßig fuhr er nach Lemberg und Kiew und pflegte den Kontakt mit Gleichgesinnten. Er pflegte einen regen Briefaustausch mit gefangenen Freunden. Bei ihm in Dnipropetrowsk trafen sich verschiedene Menschen mit denen er über einen Kampf für eine unabhängige Ukraine und neue Bedingungen für einen „entwickelten Sozialismus“ diskutierte. Er sprach offen über seine Meinungen. Das konnte auch dem KGB nicht entgehen. Er sowie seine Familie wurden ständig von der Geheimpolizei beobachtet.

In der Januarausgabe der Zeitschrift Vitčyzna (Heimat) erschien im Jahr 1968 der Roman Sobor (die Kathedrale) von Oles Gontschar, der Makuch sehr beeindruckte. Gegen seinen Roman wurde nach seiner Erscheinung eine Hetzkampagne initiiert, in der der Autor als Nationalist geschmäht wurde. Makuch selbst fühlte sich angegriffen. Es verletzte ihn auch, dass die Tschechoslowakei am 21. August 1968 von den 5 Warschauer Pakt-Staaten besetzt wurde. Damals vertraute er sich seiner Frau mit den Worten an, dass er bereit wäre sich für eine unabhängige Ukraine und für die Zukunft ihrer gemeinsamen Kinder zu opfern.

Im Oktober 1968 nahm sich Makuch Urlaub und fuhr zu seiner Schwester nach Kariv. Er verabschiedete sich von seiner Frau und seinen Kindern mit den Worten: „Falls mir etwas passiert, dann sollt ihr wissen, dass ich euch alle von ganzem Herzen liebe.“ Von seinen Eltern aus schickte er mehrere Briefe an seine Freunde in Nikopol, Kiew, Dnipropetrowsk, zwei Briefe an seine Frau, die mit dem Slogan „Lang lebe die Ukraine!“ endeten.

Am 5. November 1968 hat sich Makuch auf dem Chreschtschatyk vor dem Haus mit der Hausnummer 27 in der Nähe des Bessarabischen Marktes mit Benzin begossen und angezündet. Er lief in Richtung des heutigen Platzes der Unabhängigkeit und rief: „Weg mit den kommunistischen Kolonisatoren! Lang lebe eine unabhängige Ukraine!“. Er äußerte sich ebenfalls zur Besatzung der Tschechoslowakei mit Worten wie: „Weg mit den Besatzern der Tschechoslowakei!“ Die Menschen bewegten sich ängstlich voneinander fort oder sie wurden von Polizisten auseinandergetrieben, denn Polizisten waren am Vorabend der Feierlichkeiten auf dem Chreschtschatyk gerade besonders viele. Er verlor das Bewusstsein und wurde ins Krankenhaus transportiert, dort starb er am 6. November infolge der Verbrennungen an 70 % seines Körpers.

Die Geheimpolizei nahm sofort den Kontakt mit Makuchovs Frau auf, gegenüber der sie behaupteten, dass Vasyl schwer krank ist. Lidija kam gemeinsam mit ihrem Patenonkel Ivan Cypuch am 6. November 1968 nach Kiew. Beide wurden auf der Stelle festgenommen. Lidija erzählte später, dass sie über Nacht in einem kalten Raum eingesperrt wurden. Am nächsten Morgen wurden sie zur Leichenhalle gebracht. Noch am selben Tag wurde durch die Staatsanwaltschaft im Leninviertel von Kiew ein Strafverfahren wegen Selbstmord gegen Vasyl Makuch eingeleitet.

Lidija und ihr Patenonkel wurden auf Schritt und Tritt verfolgt, damit sie nicht die Möglichkeit haben mit jemandem zu sprechen. Die Verwandten aus dem Westen der Ukraine wollten, dass Vasyl bei ihnen begraben wird, aber Lidija bestand darauf, dass ihr Mann in der Nähe von ihr und ihren Kindern begraben wird. Die Beerdigung fand auf dem Friedhof in unter strenger Aufsicht der KGB statt. Alle Teilnehmer der Beerdigung wurden fotografiert und geprüft. Drei Monate lang wurde die Witwe zu Verhören vorgeladen. Die Mitarbeiter des KGB wollten herausfinden mit wem Makuch verkehrte, was er sagte etc. Lidija verlor dadurch ihre Arbeit als Köchin, über mehrere Jahre hinweg hatte sie keine Arbeit und die Familie vegeterierte die Familie nur so dahin. Um die Kinder zu ernähren musste sie ihr komplettes Hab und Gut verkaufen. Letztendlich konnte sie in der Bahnhofskantine Fuß fassen.

Makuchs Schwester Paraska Osmylovska wurde bereits am 7. November 1989 von der Bezirksabteilung des KGB in Sokal vorgeladen. Dort wurde sie unter Anwendung von Gewalt verhört. Die Mitarbeiter der Geheimpolizei konnten nicht glauben, dass Makuch seine Tat alleine vollbrachte und nicht Teil einer größeren illegalen Organisation war, die noch weitere Pläne hatte.

Der Ehemann von Paraska Jurij Osmylovskyj teilte mit, dass sie infolge der Verhöre an Lungenverletzungen litt, Blut spuckte und zwei Jahre an den Folgen der Verhöre starb.

In den ukrainischen Medien wurde nicht über die Selbstverbrennung Makuchs berichtet. Die ausländischen Radiosender berichteten jedoch bereits am 5. November 1968 über die Selbstverbrennung, da sie Informationen aus ukrainischen Dissidentenkreisen erhielten: „In Kiew hat sich der ukrainische Bürger Vasyl Makuch angezündet, er kämpfte gegen das kommunistische Regime der Sowjetunion, gegen die Unterdrückung des ukrainischen Volkes und die sowjetische Aggression gegen die Tschechoslowakei. Vor einer solchen vorher noch nie da gewesenen und heldenhaften Tat verbeugt sich die internationale Gemeinschaft.“

Aber auch in der Ukraine wurde auf die Tat Makuchs reagiert. Jevhen Pronuk verfasste einen anonymen Artikel mit dem Titel In Gedenken an einen Helden, der dank des Samizdat seinen Weg unter das Volk gefunden hat. Auch das führte zu weiteren Repressalien. Bohdan Chaban und Stefan Bedrylo wurden für die Verbreitung dieses Textes verhaftet. Letzterer verbrachte zwei Jahre in den Arbeitslagern von Mordwinien.

Dazu kommt auch, dass Makuch nicht der einzige Ukrainer war, der sich für die Selbstverbrennung als Form des radikalen, politischen Protests entschied. Ebenfalls in der Kiewer Straße Chreschtschatyk hat im Februar 1969 ein ehemaliger Soldat der UPA versucht sich selbst anzuzünden. Es reichte lediglich einige Parolen wie „Wir wollen eine unabhängige Ukraine!“ oder „Schluss mit der Diskriminierung des ukrainischen Volkes!“ Er wurde von den Milizen verhaftet und zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Am 21. Januar 1978 zündete sich in Kaniw am Grab von Taras Schewschtenko der Ingieur Oleksa Hirnyk zur Erinnerung an den 60. Jahrestag der Ernennung der Republik Ukraine. In Flugblättern forderte er das ukrainische Volk auf, gegen die russische Besatzung und die Russifizierungen zu rebellieren.

Jedoch nach über fünfzig Jahren ist Makuchs Protest nicht einmal in der Ukraine allgemein bekannt. Bis heute befindet sich an dem Ort der Selbstverbrennung keine Gedenktafel. 2006 forderte die regionale Organisation für politische Häftlinge und politisch Verfolgte in Dnipropetrwosk den ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko auf, Makuch in Memorian den Titel Held der Ukraine zu verteilen. Der Präsident reagierte allerdings nicht einmal auf die Aufforderung.

Am 5. November 2008, am 40. Jahrestag der Selbstverbrennung von Vasyl Makuch wurde auf dem Majdan Nesalechnosti (Platz der Unabhängigkeit) ein Gedenkkonzert in Form eines Requiems. Am selben Tag wurde im Hauptbüro der NGO Tschernobylhilfe in Donezk das Museum Brandfackel in Gedenken an Vasyl Makuch und Oleks Hirnyk eröffnet. Im Oktober 2011 stellte eine Kiewer Jugendorganisation in Lemberg im Rahmen eines Projektes zu Reisen ukrainischer Patrioten das Buch Die Wurzeln der Unabhängigkeit vor. In dem Buch werden zwanzig Biographien von Menschen vorgestellt, die sich für die Entstehung einer unabhängigen Ukraine einsetzten. Unter ihnen befindet sich auch Vasyl Makuch.

Am Vorabend des 5. Novembers trafen sich an dem Ort, an dem sich Vasyl Makuch selbst angezündet hat, einige Menschen, die sein Portrait in der Hand hielten. Mithilfe von Kerzen stellten sie seinen Namen dar. Der Vertreter einer Jugendorganisation Arsen Puschkarenko, der zugleich Student an der Nationalen Universität in Kiew war, wandte sich bei diesem Treffen auch an die Regierungen der Slowakei und der Tschechischen Republik mit der Bitte Makuchs Tat anzuerkennen und ihn zu würdigen: „Damit sich die ukrainischen Behörden schämen.“

Literatur: >>>

Він сподівався, що Україна прокинеться, in: Слово просвіти, č. 38 (363), 21. 9. 2006, s. 7, 10

В´ятрович, Володимир: Українське відлуння "празької весни" (Ukrajinské ohlasy Pražského jara), česky vyjde v časopise Dějiny a současnost na zač. roku 2013

Гармаш, Надія: Він сподівався, що Україна прокинеться, in: Слово просвіти, č. 38 (363), 21. 9. 2006, s. 7, 10

Довгаль, Сергій: Вогонь протесту. Самоспалення Василя Макуха у 1968 році на Хрещатику освітило радянські злочини, in: Україна молода, 5. 6. 2004, http://www.umoloda.kiev.ua/number/194/163/6839/

Міжнародний біоґрафічний словник дисидентів країн Центральної та Східної Європи й колишнього СРСР. Т. 1. Україна. Частина 1, Харківська правозахисна група Права людини, Харків 2006, s. 419–421

Нечипоренко, Микола: Смолоскипом осяяв Хрещату дорогу, in: Сільські вісті, № 64 (17895), 6. 6. 2006

Пам’яті героя (про В. Макуха), in: У боротьбі за волю України, Кн. 2., Львів 2003, s. 75–78

Сахаров, Геннадій: Забутий герой України, in: Українська газета, № 21 (69), 1. 6. 2006, http://ukrgazeta.plus.org.ua/article.php?ida=498

Сидорук, Аркадій: Людина-смолоскип, in: Український тиждень, 7. 11. 2011, http://tyzhden.ua/History/34776

Skůpová, Kateřina: Ukrajinské opoziční hnutí na konci 60. let 20. století a vliv československých událostí roku 1968 na jeho vývoj. Diplomová práce, FSV UK, Praha 2004, http://katchenka.webz.cz/cosi/diplomka_spk.pdf

http://archive.khpg.org/index.php?id=1184404827 http://donetshina.ucoz.org/publ/rozdumi_z_privodu/velikij_sin_velikogo_narodu/4-1-0-240 http://history.franko.lviv.ua/IIm.htm http://www.chasipodii.net/article/9407/?vsid=040067543ce11ae55eb2b2b33fa4b7d8 http://maidan.org.ua/static/lvivmai/1196183982.html http://youtu.be/aeSCvkQQopE