Jan Zajíc

* 3. Juli 1950, Vítkov

† 25. Februar 1969, Prag

„An einem launischen Nachmittag. / Wird er vorbeigefahren, mehr als Prometheus bedeutend. / Die Augen wie durchgebrochene Dämme. / Ich weine - im Regen - auf dem Gehweg. / Alles beweine ich. / die einundzwanzig Jahre, / die von fremden Soldaten niedergetretene Frühlingsblüte, / den Menschen, der ein Zurück ablehnte, / (…) Es ist Januar 69.“

Jan Zajíc, aus dem Gedicht Jan Palach gewidmet

Am 25. Februar 1969 hat sich in einem der Häuser auf dem Prager Wenzelsplatz Jan Zajíc, ein Schüler der Fachschule für Eisenbahntechnik in Šumperk, mit Brennstoff begossen und angezündet. Er hat bewusst an die Selbstverbrennung von Jan Palach im Januar desselben Jahres angeknüpft. Er ist sogleich vor Ort gestorben, es ist ihm nicht gelungen, aus dem Gebäude wegzulaufen.

Die Eltern von Jan Zajíc sind als Neuumsiedler nach dem zweiten Weltkrieg in die nordmährische Kleinstadt Vítkov umgezogen. Der Vater arbeitete als Verkäufer, die Mutter wurde Lehrerin in der örtlichen Grundschule. Jan Zajíc wurde als zweites von drei Kindern geboren. Er hatte noch einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester. Aus Familiendokumenten ist zu erkennen, dass „der Vater eher zum Liberalismus neigte, während vornehmlich die Mutter bei ihren Kindern die traditionelle christliche Erziehung zur Geltung gebracht hat“. Jan Zajíc wurde ebenfalls getauft.

In Vítkov hat Jan Zajíc die Grundschule beendet. Seit 1965 besuchte er dann die Fachschule für Eisenbahntechnik in Šumperk (Průmyslová a železniční škola v Šumperku). Die Wahl eines praktischen Berufes wurde durch die Krankheit seines Vaters beeinflusst – es lag im Interesse der Familie, dass der Junge möglichst bald seinen Lebensunterhalt selbst verdienen konnte. In zwei Jahren kam der Januar 1968 und somit auch die Endphase des Prager Frühlings. Genauso wie seine Mitschüler interessierte sich Jan Zajíc rege für das politische Geschehen und nahm an öffentlichen Debatten teil. Nach Zeitzeugenberichten hatte er einen besseren politischen Überblick als seine Mitschüler. Nach dem 21. August 1968 hat er sich in Vítkov einer Widerstandsbewegung gegen den Einmarsch angeschlossen. Doch er lehnte die Möglichkeit der Emigration ab, obwohl sie sein Vater ihm und seinem älteren Bruder ausdrücklich empfohlen hat.

Nach dem Tod von Jan Palach fuhr Jan Zajíc aus Šumperk nach Prag, um einem Hungerstreik beizutreten, den unter der Rampe des Nationalmuseums auf dem Wenzelsplatz eine Gruppe von Studenten und jungen Menschen hielt. Zusammen mit seinen Mitschülern aus Šumperk hat er dann am 25. Januar auf der Pariserstraße dem Trauerzug von Jan Palach zugeschaut. Der mehrtägige Aufenthalt in Prag wurde für Zajíc, einem jungen Mann aus einem kleinen Dorf, wahrscheinlich zum Hauptanlass zu Überlegungen eines politisch motivierten Selbstmordes. Im Hinblick darauf, dass sich „kein anderer von den Studenten“ zum Selbstmord entschlossen hat, wie er aufgrund der Erklärung im Brief von Palach erwartet hat, begann er unmittelbar sich selbst auf die Tat mit einwöchigem Vorsprung vorzubereiten.

Er begab sich am frühen Morgen des 25. Februars 1969 nach Prag. Obwohl aus verschiedenen Gründen gleich drei von seinen Mitschülern mit Zajíc reisten und von seiner Absicht auch die Polizei Bescheid wusste, ist es niemandem von ihnen gelungen, seinen Selbstmord zu verhindern. Er hat sich gegen halb zwei am Nachmittag im Haus Nr. 39 auf dem Prager Wenzelsplatz mit Brennstoff begossen und angezündet. Er starb an Ort und Stelle, ohne dass es ihm gelungen ist, aus dem Gebäude wegzulaufen.

Am Tatort ließ er unter anderem eine Liste mit Namen seiner fiktiven Nachfolger und die Erklärung „An die Bürger der Tschechoslowakischen Republik“. „Weil unser Leben trotz der Tat von Jan Palach wieder in alte Muster verfällt“, schreibt er, „habe ich mich entschieden, dass ich euer Bewusstsein als Fackel Nr. 2. erwecke. Ich mache es nicht aus dem Grunde, dass mich jemand beweinen soll oder damit ich berühmt werde oder vielleicht, weil ich verrückt bin. Ich habe mich zu dieser Tat entschlossen, damit ihr euch wirklich zusammenrafft und euch nicht von den Diktatoren schleifen lässt! Ihr müsst bedenken: „Wenn jemandem das Wasser über den Kopf steigt, ist es schon egal, wie viel.“ (…) Möge meine Fackel auf den Weg zur freien und glücklichen Tschechoslowakei leuchten. (…) Nur so werde ich weiter leben.“

Das Begräbnis von Jan Zajíc fand am Samstag dem 2. März 1969 in Vítkov unter Teilnahme von etwa 8000 Menschen statt. Die Reaktion auf seine Tat war ausdrücklich kleiner als im Fall von Jan Palach. Doch trotzdem gilt, dass die breite Öffentlichkeit so von dem Selbstmord von Jan Zajíc wusste, genauso wie von seinen politischen Motiven. Die Familie von Jan Zajíc erlebte nach seinem Tod und im Zusammenhang mit ihm eine Reihe von Problemen. Die Mutter hat ihre Arbeit als Lehrerin verloren, der Vater wurde aus der Kommunistischen Partei Tschechoslowakei (KSČ) ausgeschlossen. Der Selbstmord von Jan Zajíc hat beiden Geschwistern politische Probleme bei der Aufnahme an die Hochschule, bzw. beim Studium verursacht.

Um das Gedenken an Jan Zajíc kümmert sich heute vor allem die Stiftung Nadační fond Ceny Jana Zajíce, die im nordmährischen Vítkov die Preise an herausragende Schülerinnen und Schüler an Grundschulen und sekundären Schulen in der Region vergibt. Die Preisübergabe ist dabei innerhalb der Region ein bedeutendes kulturelles Ereignis. Im Jahr 1991 erhielt Jan Zajíc in memorian die Auszeichnung von T. G. Masaryk der ersten Klasse. Ein Jahr später wurde seine Geschichte Grundlage des erfolgreichen Fernsehfilms Jan.

Literatur: >>>

CIKRYT, Václav: Jan Zajíc 3. 7. 1950–25. 2. 1969, Šumperk 1991.

EICHLER, Patrik: Následovníci Jana Palacha. Jan Zajíc (1950–1969) a Evžen Plocek (1929–1969), In: BLAŽEK, Petr – EICHLER, Patrik – JAREŠ, Jakub a kol: Jan Palach ´69. FF UK – ÚSTR – Togga, Praha 2009, s. 90–114.

EICHLER, Patrik: Následovníci Jana Palacha. Jan Zajíc (1950–1969) a Evžen Plocek (1929–1969), In: BLAŽEK, Petr – EICHLER, Patrik – JAREŠ, Jakub a kol: Jan Palach ´69. FF UK – ÚSTR – Togga, Praha 2009, s. 90–114.

LEDERER, Jiří: Jan Palach. Zpráva o životě, činu a smrti českého studenta, In: BLAŽEK, Petr – EICHLER, Patrik – JAREŠ, Jakub a kol: Jan Palach ´69. FF UK – ÚSTR – Togga, Praha 2009, s. 231–345.

MAZÁČOVÁ, Barbara a kol.: Ve jménu života Vašeho…, Karolinum, Praha 1990.

SADECKÝ, Josef (ed.): Živé pochodně, Konfrontation, Zürich 1980.

VALOUCH, František: Básnický fragment Jana Zajíce, Severní Morava. Vlastivědný sborník, sv. 60, Šumperk 1990, s. 57–58.