Elijahu Rips

12. Dezember 1948, Riga

Jemand muss beweisen, dass nicht jeder mundtot gemacht werden kann.

Ilja Aronovič Rips, 13. April 1969

Am 13. April 1969 versuchte der 20-jährige Mathematikstudent Ilja Aronovič Rips, sich selbst aus Protest gegen die Okkupation der Tschechoslowakei zu verbrennen.

Er ist am 12. Dezember 1948 in Riga als Ilja Aronovič Rips geboren, nach seinem Umzug nach Israel im Jahre 1971 nahm er den Namen Elijahu an. Er wuchs in einer jüdischen Familie auf, sein Vater unterrichtete Mathematik in Riga. Die Grundschule absolvierte er als ausgezeichneter Schüler zwei Jahre schneller als normalerweise üblich. Im Jahre 1964 nahm er als Schüler einer Mittelschule an der Internationalen Mathematik-Olympiade in Moskau teil und wurde dann als 16-Jähriger an der Staatlichen Universität Lettland aufgenommen, wo er an der Fakultät für Mathematik und Physik Mathematik studierte.

Im Jahre 1968 fesselten ihn die Ereignisse in der Tschechoslowakei, von denen er aus dem ausländischen Rundfunk erfuhr, sehr. Im Sommer 1968 wurde er im Rahmen des Studiums zu einer militärischen Übung im Kaliningrader Gebiet einberufen. Die Militärgruppe, in der er diente, nahm später an der Invasion in die Tschechoslowakei teil. Die Studenten, die in der Einheit waren, wurden nach Riga abkommandiert. Für Rips bedeutete die militärische Unterdrückung des Prager Frühlings eine bittere Enttäuschung.

Im Januar 1969 erfuhr er von der Selbstverbrennung Jan Palachs (von den anderen lebendigen Fackeln in der Sowjetunion wusste er nichts). Allmählich reifte in ihm die Entscheidung, auf die gleiche Weise zu protestieren. Im Gegensatz zu Palach wollte er jedoch mit seiner Tat keine Massenproteste hervorrufen: „Nein, es war mein persönlicher Protest, mit dem ich nichts entfesseln wollte. Meine Tat quoll aus einer absoluten Bitternis. Ich hörte auf zu glauben, dass der Kommunismus so zusammenbrechen könnte, wie es später der Fall war.“ Auf den Protest bereitete er sich mehrere Tage vor. Er schrieb auf ein Transparent in russischer Sprache: „Ich protestiere gegen die Okkupation der Tschechoslowakei“. Er verfasste auch einen Abschiedsbrief, den er an seine Freunde adressierte.

Als symbolischen Ort für seinen Protest wählte Rips das Freiheitsdenkmal auf dem gleichnamigen Platz im Zentrum Rigas, wohin er am 13. April 1969 gegen 16 Uhr mit einer Flasche Benzin, dem in eine Zeitung eingewickelten Transparent und Streichhölzern kam: „In der Nähe des Denkmals übergoss ich mich mit Benzin, packte das Transparent aus, legte es auf den Boden und zündete mich an. Der Augenblick, in dem es kein Zurück mehr gab, war gekommen, als ich das Transparent ausgerollt hatte.“ Die Vorübergehenden löschten den jungen Mann schnell, sodass er nur leichte Brandwunden auf dem Hals und an den Händen erlitt. Rundherum versammelte sich schnell eine Volksmenge, unter der sich auch ein KGB-Angehöriger befand, der Rips zum Verhör mitnahm. Nach einigen Stunden wurde der verletzte junge Mann in eine psychiatrische Klinik geschickt, in der er in einer geschlossenen Abteilung festgesetzt wurde. Tags darauf wurde Rips offiziell festgenommen, eines „antisowjetischen Auftritts“ beschuldigt und ins Hauptgefängnis in Riga verlegt. Er wurde auch von der Universität ausgeschlossen. Im Oktober 1969 wurde Rips vom Gericht als schizophren bezeichnet und in die psychiatrische Klinik in Riga geschickt. Die Ärzte benahmen sich jedoch freundlich gegenüber dem jungen Mann und ermöglichten ihm den Kontakt mit seinen Verwandten. Dem Dissidenten Wladimir Bukowski gelang es damals, den Teilnehmern des Internationalen Mathematikerkongresses Informationen über Rips’ Fall zu schicken, und unter internationalem Druck wurde der junge Mann im Frühling 1971 aus der Klinik entlassen. Ende des Jahres gelang es ihm, mit der ganzen Familie ins Ausland zu ziehen. Seit Januar 1972 lebt er in Israel, wo er sein Studium an der Hebräischen Universität Jerusalem abgeschlossen hat, an der er heutzutage als Professor tätig ist. Im April 2009 besuchte Rips zum ersten Mal Prag.

Literatur: >>>

HRADILEK, Adam: Myslet na celý svět. Rozhovor s Elijahu Ripsem, In: Paměť a dějiny, roč. 3, č. 1 (2009), s. 40–45, dostupné na stránce http://www.ustrcr.cz/data/pdf/pamet-dejiny/pad0901/040-045.pdf (ověřeno 19. 7. 2011).

HRADILEK, Adam (ed.): Za vaši a naši svobodu. Torst – ÚSTR, Praha 2010.

JANSONS, Ritvars (ed.): The Aftermath of Prague Spring nad Charter 77 in Litvia/the Baltics. The State Archives of Latvia, Vilnius 2008, dostupné na stránce http://www.itl.rtu.lv/LVA/Praga68/index.php?id=1002 (ověřeno 19. 7. 2011).

KAMIŃSKI, Łuskaz: První živá pochodeň ve východním bloku. Ryszard Siwiec (1909–1968), In: BLAŽEK, Petr – EICHLER, Patrik – JAREŠ, Jakub a kol: Jan Palach ´69. FF UK – ÚSTR – Togga, Praha 2009, s. 115–127.