Norman Morrison

* 29. Dezember 1933, Erie

† 2. November 1965, Pentagon

„Ich bin überzeugt, dass sich Norman Morrison selbst anzündete, um für uns wie eine Leuchte zu strahlen. Um uns daran zu hindern, vor der grausamen Realität der Kriege die Augen zu schließen und davon weg zu schauen, wenn Sie möchten. Um uns einen anderen Weg zu zeigen...“

Anne Morrison Welsh

Am 2. November 1965 goss der 31-jährige Norman Morrison aus Prostest gegen den Vietnam-Krieg Benzin über sich und zündete sich vor dem Pentagon an.

In der Mitte der sechziger Jahre fing man an, die Selbstverbrennung als eine radikale Form des politischen Protests mit dem Widerstand gegen die Beteiligung der amerikanischen Armee am Vietnam-Krieg zu verbinden. Deutlich dazu beigetragen haben einige Fälle der Selbstverbrennung aus politischen Gründen in den USA. Solche Vorfälle waren zwar selten, hatten aber dank einer großen Medienpräsenz gravierende Auswirkungen, auch im Ausland. Als erste zündete sich am 16. März 1965 die 82-jährige Pazifistin Alice Herz in Detroit an. In ihrem Abschiedsbrief verwies sie direkt auf buddhistische Vorgänger. Sie starb nach zehn Tagen im Krankenhaus.

Unvergleichbar größere Reaktionen weckte nach einigen Monaten der Prostest des Quäkers Norman Morrison, der sich am 2. November 1965 beimPentagon anzündete. Morrison studierte ab 1952 vier Jahre lang Religion an der College of Wooster in Ohio, danach besuchte er ein Jahr lang das Western Theological Seminary (heute Pittsburgh Theological Seminary). Mehrere Monate studierte er auch an der Universität Edinburgh in Großbritannien. Er reiste durch Europa und den Nahen Osten und kehrte danach zurück nach Pittsburgh, wo er 1959 den Bachelor-Titel gewann. Im selben Jahr schloss er sich den Quäkern an und zog nach Charlotte bei New York, wo er als Sekretär der hiesigen Quäkergemeinschaft arbeitete. 1962 zog er gemeinsam mit seiner Familie nach Baltimore, wo er gottesdienstliche Treffen organisierte.

Laut den Erinnerungen seiner Frau unterhielt sich das Ehepaar am 2. November 1965 beim Mittagessen über einen Artikel, in dem die Bombardierung von Dörfern und die Tötung von Kindern im Vietnam-Krieg beschrieben wurden. Danach machte sie sich auf den Weg, um die beiden älteren Kinder vom Kindergarten abzuholen und ließ ihren Mann mit der einjährigen Tochter Emily zu Hause. Als sie zurückkam, waren beide ohne Erklärung verschwunden. Am Abend rief sie ein Journalist an und sagte, ihr Mann habe in Washington protestiert. Sie sagte ihm, sie wisse davon nichts. Kurz danach rief ein Arzt vom Krankenhaus in Pentagon an und teilte ihr mit, dass ihr Mann an den Folgen von Verbrennungen starb. Tochter Emily war in Ordnung. Einer Version zufolge ließ Norman Morrison sie alleine auf dem Bürgersteig, laut einer anderen Version überließ er sie den Passanten. Im Abschiedsbrief schrieb er seiner Frau, dass er sich verbrannte, damit keine weiteren Kinder in vietnamesischen Dörfern sterben müssen. Er erwähnte auch diffus Abrahams Opfer, weswegen nicht klar ist, ob er sich vielleicht ursprünglich auch mit seiner Tochter verbrennen wollte.

Norman Morrisons Selbstverbrennung spielte sich in der Nähe des Büros des damaligen US-Verteidigungsministers Robert McNamara ab, der an diesem Tag anwesend war und damit Augenzeuge dieser tragischen Tat wurde. Norman Morrison hinterließ seine Frau mit drei kleinen Kindern (die einjährige Tochter Emily nahm er mit zum Pentagon und zündete sich vor ihren Augen an). Die Motive für seine Tat erläuterte er vage im Abschiedsbrief, der für seine Frau bestimmt war. Morrisons Protest nutzte Nordvietnam für seine antiamerikanische Kampagne. In Hanoi wurde eine Straße nach ihm benannt und eine Briefmarke mit seinem Portrait herausgegeben. Der Dichter To Huu schrieb anlässlich dieses Ereignisses ein Lobgedicht. Im Jahre 1999 unternahm Morrisons Frau eine Reise nach Vietnam. Über den Protest ihres Mannes und über weitere Schicksale seiner Familie gab sie dann zwei Erinnerungsbücher heraus.

Zur ersten Welle der Selbstverbrennungen in den USA gehört auch der Fall des 22-jährigen Katholiken Roger Allen LaPorte, der am 9. November 1965 vor dem Gebäude der Dag Hammarskjölds Bibliothek, die zum UNO-Areal in New York gehört, im Lotussitz niedersaß und sich anzündete. Er starb einen Tag später.

Literatur: >>>

BIGGS, Michael: Dying without Killing. Self-Immolations, 1963–2002, In: GAMBETTA, Diego (ed.): Making Sense of Suicide Missions. Oxford University Press, Oxford 2005, s. 173–208, 320–324.

MORRISON WELSH, Anne: Fire of the Heart. Norman Morrison's Legacy In Vietnam And At Home. Pendle Hill Pamphlet, Wallingford 2006.

MORRISON WELSH, Anne – HOLLYDAY, Joyce: Held in the Light. Norman Morrison's Sacrifice for Peace and His Family's Journey of Healing. Orbis Books, New York 2008.